Expedition Arktis 2 – Tauchfahrt am Nordpol
Die Dokumentation begleitet führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund um Antje Boetius bei ihren Entdeckungen am Nordpol, die sie erstmals bis zum 4.000 Meter tiefen Meeresboden führten.
2023 – das heißeste Jahr seit Beginn der Klimaaufzeichnungen. Die "Polarstern", Deutschlands einziger Forschungseisbrecher, macht sich auf den Weg zum Nordpol. Ein internationales Forscherteam um die renommierte Meeresbiologin Antje Boetius will das maritime Leben im arktischen Ozean untersuchen.
Bereits 2020 war die "Polarstern" am Nordpol. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten das Meereis und die Atmosphäre. Jetzt wollen sie verstehen, wie das Leben am Nordpol funktioniert, und tauchen dafür erstmals bis zum 4000 Meter tiefen Meeresboden. Was sie dort entdecken, stellt das bisherige Wissen über das System Arktis auf den Kopf.
Die Dokumentation "Expedition Arktis 2 – Tauchfahrt am Nordpol" begleitet führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler rund um Antje Boetius bei ihren Entdeckungen. Was lebt in 4.000 m Tiefe am Meeresboden und wovon ernähren sich diese Organismen? Wie hängt das Leben in der Arktis mit dem Eis zusammen und was passiert, wenn das Eis verschwindet?
Diese Entdeckungen sind nur durch die Mannschaft der "Polarstern" möglich. Kapitän Schwarze ist eine lebende Legende der Seefahrt in polaren Gebieten und reist bereits zum sechsten Mal zum Nordpol. Begleitet wird die Expedition von der renommierten Wissenschaftsfotografin Esther Horvath. Niemand hat in den letzten Jahren so intensiv in der Arktis fotografiert wie sie. Esther Horvath liebt die Dunkelheit der Polarnacht. Nun stellt sie sich 24 Stunden Helligkeit.
"Expedition Arktis 2 – Tauchfahrt am Nordpol" ist eine Produktion der UFA Documentary im Auftrag des NDR, RBB, HR und RB für das Erste und die ARD Mediathek. Produzenten sind Marc Lepetit und Autor und Regisseur Philipp Grieß, die Redaktion im NDR verantwortet Marc Brasse.
Interview mit Prof. Dr. Antje Boetius
Meeresbiologin Antje Boetius ist Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Professorin an der Universität Bremen. Sie erforscht die Folgen des Klimawandels auf die Ozeane und Polarregionen. Als Tiefseeforscherin beschäftigt sie sich zudem mit der Entdeckung unbekannter Lebensräume in der Tiefsee. ArcWatch ist ihre 50. Expedition.
Sie haben in ihrem Berufsleben schon 50 Expeditionen begleitet.
Was war das Besondere bei dieser?
Dass ich genau 30 Jahre nach meiner Doktorarbeit, und 12 Jahre nach dem größten bisher gemessenem Meereisminimum wieder in der gleichen Region nachschauen konnte, wie sich Klimawandel und Meeresrückgang auf das Leben in der Arktis auswirken. Was mich dabei so fasziniert, ist diese unfassbare Vielfalt in der Tiefsee. Wir konnten neue Seeberge vermessen, die noch nicht mal richtig auf der Karte eingezeichnet sind. Und dabei wieder so ein Wunder miterleben, was die Natur für Tricks drauf hat für Leben in diesen Extremregionen. Zum Beispiel Schwämme, die mit Hilfe von Bakterien unzugängliche Nahrungsquellen erschließen und sehr alt werden können. Am Nordpol haben wir endlich herausgefunden, welche Lebewesen dort in über 4 Kilometer Wassertiefe am häufigsten sind: es ist der Igelwurm
Welche Spuren hat der Klimawandel denn hinterlassen?
Auch das Jahr 2023 liegt im Trend, pro Dekade verlieren wir ca. 13% der Ausdehnung des arktischen Meereises. Das sind ca. 3 Quadratmeter Meereisverlust pro Tonne CO2, die wir ausstoßen und die sich dann in der Atmosphäre anreichert. Vor allem hat aber diesmal die Antarktis ein absolutes Minimum in der winterlichen Meereisausdehnung erreicht. Zudem haben wir in 2023 eine starke Verschiebung der Transpolardrift des Eises festgestellt, dadurch fehlten typische Meereisalgen. Solche Veränderungen betreffen alles Leben in den Polarregionen. Das macht natürlich Sorgen. Auf die lange Zeitachse von über 30 Jahren Forschung gesehen kann ich nur sagen, die Geschwindigkeit der Veränderung ist groß und weitreichend. Das bedeutet, dass schneller, ambitionierter Klimaschutz absolut notwendig ist.
Warum ist es wichtig, sich als Wissenschaftlerin vom Publikum über die Schulter gucken zu lassen, wie jetzt in der Dokumentation "Expedition Arktis 2 – Tauchfahrt am Nordpol"?
Über die Bilder der Expedition können die Zuschauer direkt verfolgen wie Wissen entsteht. Sie können also den Forschungsprozess beobachten, unter den Extrembedingungen in der Arktis. Mit uns dabei das Erstaunen und die Freude am Entdecken teilen, aber auch die Sorgen um die Folgen der Erderwärmung, das hilft ein Bild von dem bekommen, was es zu retten gilt, nämlich die phantastische und vielfältige arktische Natur da draußen.
Interview mit Kapitän Stefan Schwarze
Stefan Schwarze von der Reederei F. Laeisz gehört seit 1990 zur Stammbesatzung der Polarstern, auf der er alle nautischen Offiziersdienstränge und -funktionen durchlaufen hat. Seit 2005 ist er Kapitän des Forschungsschiffes. Die Expedition ArcWatch führte ihn zum 6. Mal an den Nordpol.
Sie sind seit fast 20 Jahren Kapitän der Polarstern. Was zieht sie immer wieder in diese extreme Region?
Es ist einfach besonders. Klar, es ist kalt und stürmisch. Aber dieser Lebensraum Eis, egal ob Arktis oder Antarktis, ist einfach interessant. Er ist vielfältiger als man denkt und glaubt. Unter Eisbrecher-Fahrern heißt es: der „Eisblink“ macht süchtig. Da kommt man immer wieder zurück. Und das ist tatsächlich so.
Was war das Besondere an dieser Expedition für Sie?
Es war insofern etwas Besonderes, weil ich ja nun über die Jahre, die ich hier auf dem Schiff arbeite, und über die Jahre, die ich auch in die Arktis fahre, mitkriege, was für eine starke Veränderung dort stattgefunden hat. Dieses Mal war es schon bemerkenswert, dass wir auf dem Weg zum Nordpol im wahrsten Sinne des Wortes im Regen standen. Da rechnet man am Nordpol eigentlich nicht mit. Wir haben außerdem das erste Mal Brennstoff mit zurück nach Hause gebracht. Normalerweise reichen unsere Tanks aus. Man kämpft sich durchs Eis, da ist der Brennstoff alle, wenn man zurückkommt. Diese Mal haben wir was zurückgebracht, weil wir nur 30 Prozent unserer Maschinenleistung gebraucht haben, um zum Nordpol zu kommen. Entweder das Eis war weg oder es war so porös, dass wir da einfach so durchfahren konnten, ohne Widerstand. Das ist schon erschreckend. Früher hat es das nicht gegeben. Früher hat es gekracht wenn wir durchs Eis gefahren sind.
Zwei Monate auf dem Schiff. Wie läuft das soziale Leben auf so einer Reise?
Ich habe mein halbes Leben hier auf der Polarstern verbracht. Wir sind eine Festbesatzung, das heißt wir gehen in den Urlaub und nach drei Monaten kommen wir wieder hierher und es ist, als wenn eine Familie zusammenkommt. Es sind ja Leute, mit denen man ans Ende der Welt fährt. Rundherum ist dann nichts und wir sind auf uns gestellt. Zum Beispiel, wenn es mal brennt, dann kommt ja nicht gleich die Feuerwehr. Wir müssen uns dann selbst helfen, und so was schweißt zusammen. Mit den Wissenschaftlern ist es auch interessant zu arbeiten. Es ist eine besondere Spezies Mensch. Wenn man sie aber einmal ins Herz geschlossen hat, ist es spannend mit ihnen zu arbeiten und ihnen zuzuhören, was sie so zu sagen haben.
Interview mit Fotografin Esther Horvath
Niemand hat in den vergangenen Jahren so intensiv in der Arktis fotografiert wie Esther Horvath. Die renommierte Wissenschaftsfotografin vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), die 2020 mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet wurde, liebt die Dunkelheit der Polarnacht. Nun stellt sie sich 24 Stunden Helligkeit.
Mit was für Eindrücken kommen Sie zurück?
Es war eine wunderbare Expedition, bei der ich die großartige Zusammenarbeit zwischen der Besatzung und der Wissenschaft, die ständige Freundlichkeit und Unterstützung zwischen den Menschen sehr geschätzt habe. Und diesmal ganz anders, alles in 24 Stunden Tageslicht.
Es war eine sehr intensive und produktive Zeit, genau wie ich gerne arbeite. Die Zeit auf jeder Expedition ist sehr kostbar und ich möchte immer das Beste daraus machen, das meiste fotografieren und filmen, was dann lange und auf viele Arten genutzt werden kann. Ich bin sehr dankbar, dass ich an dieser Expedition teilnehmen konnte. Ein Highlight war natürlich das Erreichen des Nordpols.
Was macht den Nordpol so besonders?
Natürlich erkennt man den Nordpol nicht mit eigenen Augen, das Meereis und die Landschaft sehen genauso aus wie bei 86 Grad nördlicher Breite. Ich bin sehr dankbar, dass ich zum ersten Mal am Nordpol war, aber fotografisch war es für mich ein noch wichtigerer Ort, um die Folgen des Klimawandels in dieser fragilen Landschaft zu zeigen. In einer Landschaft, die sich am schnellsten verändert und gleichzeitig die am weitesten von Industrie und Menschen entfernt ist.
Warum sollte man Forschung auch in Fotos darstellen?
Für meine Fotografie habe ich immer ein Beispiel im Kopf. Wenn wir an die Mondlandung denken, dann denken wir nicht an die wissenschaftlichen Papiere von tausend Seiten, sondern wir denken immer an ein Bild. Wir denken in Bildern und deswegen finde ich das auch sehr wichtig, Expeditionen wie diese ins Bild zu fassen. Ein Bild ist immer das, was bleibt. Vor allem jetzt, wo sich Arktis und Arktischer Ozean so schnell und stark verändern, finde ich das sehr wichtig. Ich fotografiere und dokumentiere, was verschwindet und konzentriere mich dabei auf die Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die uns sehr wichtige Klimadaten liefern.Ich sehe meine Arbeit auch als Dokumentation.