45 Jahre 3nach9: Di Lorenzo verrät, warum früher mehr gefeiert wurde
Von Angela Merkel bis Beate Uhse: Viele Große Namen waren zu Besuch in der Radio Bremen-Talkshow. Moderator Giovanni di Lorenzo erzählt, wie unwillkommen er anfangs war.
Wenn wir an die Anfänge von 3nach9 denken, dann gab es damals drei Moderatoren, und die waren ziemlich knorzelig und unverbindlich. Es wurde geraucht und getrunken. So war Fernsehen vor 45 Jahren, und die Philosophie war auch: Je mehr die Fetzen fliegen, desto besser. Wenn Sie so etwas sehen, fühlen Sie sich dann als zu spät geboren?
Nein, gar nicht. Weil diese Fetzen, die flogen eigentlich nur sehr selten. Das wird verklärt. Das, was einem von den vermeintlich besseren Zeiten in Erinnerung geblieben ist, das sind nur Ausschnitte, neben denen die langweiligen und eigentlich ungenießbaren Teile weggeschnitten wurden. Zum Beispiel, dass Fritz Teufel einen Bundesminister mit einer Tintenpistole beschossen hat. Das ist ja kein Moderatorenverdienst. Das war das Happening eines Gastes. Und wenn man heute versuchen würde, das noch einmal zu inszenieren, indem man jemanden aufwiegelt, dann wäre das ein Fake und auch irgendwie pathetisch.
Sie haben Ihre erste 3nach9-Sendung mit René Zucker und Michael Geyer moderiert. Das waren schon gestandene Radio Bremen-Moderatoren. Wie willkommen waren Sie denn als Jungspund? Haben Sie da auch mal an sich gezweifelt?
Ich glaube, ich war gar nicht willkommen. Ich war für die ein Kulturschock. Ich kam aus München, sah irgendwie einigermaßen manierlich gekleidet aus. Und bemühte mich um eine Grundhöflichkeit. Ich glaube schon, dass das für die eine absolute Provokation war. Und wenn man aufgrund von äußerlichen Merkmalen so attackiert wird, ist das immer unschön. Das empfindet jeder als ungerecht. Das war ja das platteste Spießerdenken. Vom Äußeren auf die innere Haltung zu schließen. Da denke ich heute noch mit Schaudern dran zurück.
Und wenn sich heute eine neue Ausgabe nähert, was geht Ihnen da auf die Nerven?
Wenn ich das Gefühl habe, ich kann mich noch so sehr anstrengen, dieser Gast ist einfach nicht gut. Dann gehst du mit einem richtig schlechten Gefühl rein. Oder wenn du schon bei der Begrüßung vor der Sendung merkst, dass der Gast schlecht gelaunt ist. Es ist ja wahnsinnig wichtig, wie die Atmosphäre zwischen den Gästen im Studio ist.
Wie ist es denn vor der Sendung im Backstage-Bereich? Kommt da auch schon mal was zustande?
Ja, total. Wobei es wichtig ist, dass nicht zu viel vorher zustande kommt. Eine Grundspannung muss man retten, bis ins Studio. Und wenn es vorher schon zu kuschelig und nett zugeht, dann zahlt sich das nicht unbedingt auf das eigentliche Gespräch aus. Aber nach der Sendung, da sind oft wunderbare Sachen entstanden. Da bleibt man noch zusammen, trinkt noch was. Wenn auch längst nicht mehr so viel wie früher: Da haben wir ja noch live gesendet, von 22 bis 24 Uhr. Und danach sind wir noch feiern gegangen.
Wenn Sie jetzt schon seit 30 Jahren bei 3nach9 dabei sind, dann müssen Sie irgendwas ja richtig lieben. Was könnte das sein?
Die Menschen, die das machen, das sind auch Freaks. Die haben Leidenschaften, die sind schrullig, die sind dickköpfig. Das sind Originale. Die haben das nie aus Routine gemacht, und das war ansteckend. Und die haben mich 30 Jahre lang ausgehalten. Ich hänge mich ja auch so rein, und da fliegen manchmal auch die Fetzen. Das so wegzustecken ist schon toll.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 19. November 2019, 19:30 Uhr