So haben Sie Radio Bremen noch nie erlebt: 5 Fakten zur Ausstellung
Radio Bremen feiert Geburtstag – mit einer Ausstellung im Focke Museum. Und die fragt: Wie hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Zukunft?
Vor 75 Jahren ging Radio Bremen zum ersten Mal auf Sendung. Seitdem hat sich viel verändert. Nicht nur beim Sender selbst, sondern in der gesamten Medienlandschaft. Die Ausstellung "Medienwelten" im Focke Museum nimmt die Geschichte und Gegenwart von Radio Bremen in den Blick und geht dabei auch der Frage nach, welche Bedeutung der öffentlich-rechtliche Rundfunk aktuell hat. Das Kuratorenteam des Museums hat dabei unterschiedliche Herangehensweisen gewählt: von historischen Fotos und Objekten, über Audios und Videos bis hin zu Inszenierungen, die zum Mitmachen auffordern.
1 Interaktiv: Besucherinnen und Besucher sind gefragt
Anfassen, ausprobieren, mitgestalten: Die Besucherinnen und Besucher sollen ihre Ideen und ihre Meinung mit in die Ausstellung einbringen. Das ist wichtiger Bestandteil des Konzepts. Dabei geht es etwa um die Frage, woher das Geld für den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk kommen soll: Aus einer Steuer? Aus Werbung? Aus einem Abo? Aus Spenden? Oder sollen alle einen Beitrag zahlen, so wie es bislang mit der Rundfunkgebühr der Fall ist?
Jeder einzelnen Antwort ist eine Plastiksäule zugeordnet. Dort können die Besucherinnen und Besucher dann einen kleinen Ball einwerfen, je nachdem welche Finanzierungsart sie für die beste halten. Und eine andere, wichtige Frage wird gestellt: Wer soll eigentlich auf den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk Einfluss haben? Die Gesellschaft oder etwa die Wirtschaft oder die Politik?
Ihnen sei es wichtig gewesen, eine Perspektivenvielfalt in der Ausstellung herzustellen, sagt Doreen Franz aus dem Kuratorenteam.
Wir als Kuratorenteam bringen uns zwar selbst ein, aber auch die Besucherinnen und Besucher sind bei dem Thema "Medien" Expertinnen und Experten in eigener Sache und wir wollten sie zu Wort kommen lassen.
Doreen Franz, Kuratorin
Einige Meter weiter ist eine große Wand aufgebaut, die auf den ersten Blick an ein buntes Spinnennetz erinnert. Mit einem Faden können die Besucherinnen und Besucher hier ihre ganz persönliche Medienspur legen: Welche Medieninhalte konsumiere ich? Serien, Musik und Sport? Nachrichten? Oder nur Filme? Wo höre oder schaue ich mir diese Inhalte an? Im Bett oder unterwegs? Und was ist überhaupt der Anlass, warum ich den Fernseher oder das Radio anstelle? Um etwas zu lernen? Um mich zu entspannen oder zu informieren?
Mit dem Faden werden die entsprechenden Antworten umwickelt. Am Ende haben die Besucherinnen und Besucher so nicht nur ihre Mediennutzung reflektiert, sondern auch visualisiert. "Wir wollten ganz bewusst auch haptische Materialien in der Ausstellung einsetzen und nicht nur flimmernde Bildschirme zeigen", so Kuratorin Franz.
Und wer sich anschließend noch mehr mit dem Thema "Mediennutzung" beschäftigen möchte, kann auf dem nahe gelegenen Sofa Platz nehmen und eine Runde Mediennutzungstypen-Quartett spielen: Bin ich Typ "Artur", der jede neue Trend-Serie kennt und vor allem Netflix schaut? Oder identifiziere ich mich eher mit "Elisabeth", die nie die Nachrichten um 20 Uhr verpasst?
Die Ausstellung bietet aber auch auch die Möglichkeit, selbst in die Rolle von Medienmacherinnen und -machern zu schlüpfen: Mit der kleinen Version eines sogenannten Greenscreens können sich Besucherinnen und Besucher in das digitale buten un binnen-Studio versetzen lassen.
2 Hintergründe: Wo landet mein Rundfunkbeitrag überhaupt?
Radio Bremen ist Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Doch öffentlich-rechtlicher Rundfunk, was bedeutet das eigentlich? Auch darum geht es in der Ausstellung "Medienwelten". Hier wird unter anderem erklärt, dass Radio Bremen die kleinste von insgesamt neun Landesrundfunkanstalten ist, wer sonst noch zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland dazugehört und welche Aufgaben er hat. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, wofür genau der Rundfunkbeitrag verwendet wird. So erfahren die Besucherinnen und Besucher zum Beispiel, dass sich von den insgesamt 17,50 Euro Rundfunkbeitrag 3,19 Euro auf den Bereich "Fernsehen" bei Radio Bremen verteilen, 4,22 Euro auf den Bereich "Radio".
Bilder-Galerie zur Ausstellung im Focke-Museum
Und welche Menschen stecken eigentlich "hinter" Radio Bremen? An einer großen Schautafel werden in der Ausstellung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den unterschiedlichen Bereichen des Senders vorgestellt: vom Moderator und Reporter, über die Redakteurin und den Verwaltungsangestellten bis hin zur Technikerin. In kurzen Texten erzählen sie von ihrem Werdegang, ihrem Arbeitsalltag und besonderen Momenten, wie Karoke singenden Bürgermeistern, Übernachtungen im Baumhotel und den stressigsten Minuten des Lebens.
3 Reise in die Vergangenheit
In 75 Jahren ist viel passiert. Die Ausstellung im Focke Museum gibt einen Überblick über die Geschichte und die Entwicklung von Radio Bremen – anhand von historischen Fotos, Dokumenten und Gegenständen: So ist zum Beispiel das Mikrofon der ersten Sendung am 23. Dezember 1945 dabei und eine der ersten Fernsehkameras. Die kostete damals etwa 80.000 Deutsche Mark. Drei Personen brauchte es, um mit ihr zu arbeiten. Für das Kuratorenteam stand von Anfang an fest, dass es in der Ausstellung auch um die Geschichte des Senders gehen soll:
Um zu verstehen, wie Radio Bremen heute aussieht, braucht es den Blick in die Vergangenheit.
Doreen Franz, Kuratorin
Die Gründung durch die Amerikaner, die schwierige Finanzlage, die Tatsache, dass der kleine Sender von einem riesigen NDR umgeben sei, das alles habe die Entwicklung von Radio Bremen beeinflusst, so Franz.
Neben den historischen Aufnahmen und Objekten zeigt die Ausstellung auch die Orte in Bremen und Bremerhaven, an denen der Sender Spuren hinterlassen hat. Auf einer an der Wand aufgezeichneten, großflächigen Karte ist zu sehen, wo der Sender im Laufe der Zeit ansässig war: von Schwachhausen, über die Vahr bis hin zum aktuellen Funkhaus an der Weser.
4 Blick in die Zukunft
So wichtig wie der Blick in die Vergangenheit ist dem Kuratorenteam aber auch die Sicht auf die Gegenwart und die Zukunft. Dabei geht es nicht nur um die Zukunft von Radio Bremen, sondern um die des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt. Auf welche aktuellen Entwicklungen muss er reagieren? Inwieweit soll er sich verändern? "Teilhabe, Haltung, Vielfalt und Digitalisierung: Wir haben diese vier neuralgischen Punkte gewählt und mit Expertinnen und Experten darüber gesprochen", erzählt Kuratorin Franz.
Entstanden sind daraus vier Interviews: Mit den NDR-Journalistinnen Anja Reschke und Nil Idil Çakmak, dem Bremer Medienwissenschaftler Andreas Hepp und der Kölner Kommunikationswissenschaftlerin Christine Horz. Die können sich die Besucherinnen und Besucher in der Ausstellung ansehen – auf lebensgroßen Bildschirmen, die das Gefühl erzeugen, als würde einen die interviewte Person direkt ansprechen.
Anja Reschke, die 2015 mit ihrem "Tagesthemen"-Kommentar zur Flüchtlingskrise deutschlandweit bekannt wurde, etwa stellt die Frage, ob Journalistinnen und Journalisten zur Neutralität verpflichtet sind oder eine Haltung haben dürfen. Und kommt zu dem Schluss: Beides ist kein Gegensatz. Medienwissenschaftler Andreas Hepp setzt sich mit der Digitalisierung und den damit verbundenden Herausforderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auseinander. Seine Forderung: Es braucht ein europäisches Netflix, angeboten von allen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa. Wenige Meter weiter sind wieder die Besucherinnen und Besucher gefragt: Auf einen großen Spiegel können sie schreiben, welches Thema ihnen in der Diskussion gefehlt hat.
5 Schätze aus dem Archiv – und dem aktuellen Programm
Ob Loriots Nudelszene oder Hape Kerkelings Auftritt als Königin Beatrix: In der Ausstellung gibt es natürlich auch die legendären Fernsehmomente von Radio Bremen zu sehen. Das Kuratorenteam hat dafür einen eigenen Raum konzipiert: die Mediathek. Unter den Schlagworten "Frisch", "Prominent", "Nah dran", "Laut", "Bremisch" und "Bildhaft" werden dort die Höhepunkte aus 75 Jahren Programmgeschichte gezeigt. "Wir wollten nicht chronologisch erzählen, sondern haben nach den Wesensmerkmalen gesucht, die den Sender einzigartig machen und sich durch seine Geschichte ziehen", erklärt Kuratorin Franz das Konzept der Schlagwörter.
Zu jeder Kategorie wird zudem ein entsprechendes Objekt in der Mediathek präsentiert: Zum Beispiel das grüne Sofa von Loriot, die Jacken des Bremer Tatort-Teams oder das Wahllokal-Schild zur gleichnamigen buten-un-binnen-Sondersendung anlässlich der Bürgerschaftswahl 2019. Die Filmausschnitte schlagen dabei den Bogen von damals bis heute, von Fernsehen, über Radio bis hin zu Online: So ist etwa das Y-Kollektiv mit Ausschnitten aus seinen Reportagen vertreten. Ihnen sei es auch hier nicht nur um die Rückschau gegangen, sagt Kuratorin Franz. "Wir wollten auch die Gegenwart abbilden."
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25.09.2020, 19:30 Uhr