Seit 1974: Bremer Fernsehpreis – Der Regionalwettbewerb der ARD
1974 ruft Radio Bremen den Bremer Fernsehpreis ins Leben, obwohl der Sender noch gar kein eigenes Regionalprogramm hat. Anfangs hat es der Bremer Fernsehpreis nicht leicht. Große politische Themen halten viele für bedeutsamer, als über regionale Themen zu berichten.
1974 findet der Regionalwettbewerb der ARD zum ersten Mal statt.
"Was tut Donald Duck im Gemüsegarten" lautet der Titel eines der ausgezeichneten Beiträge, Dagmar Voss vom NDR ist die Autorin. "…mit Phantasie einen liebevollen Außenseiter gezeichnet…" urteilt die Jury. Auch ein Beitrag von Inka Eckermann von Radio Bremen über einen Häuserabbruch ist unter den Preisträgern des ersten Bremer Fernsehpreises. Das Urteil der Presse zum Regionalwettbewerb fällt zwiespältig aus. Während Michael Schmid-Ospach, der Leiter der Redaktion Kirche und Rundfunk des epd, den Bremer Fernsehpreis für einen "endlich mal notwendigen Wettbewerb" hält, meint die Frankfurter Rundschau zur Preisverleihung: "provinzielles Schaugeschäft".
Kampf um Anerkennung
Tatsächlich hat es der Bremer Fernsehpreis anfangs nicht leicht. Er kämpft um Anerkennung unter den Fernsehmachern. Über die große Politik zu berichten, ob national oder gar international, halten viele Journalisten für erheblich bedeutender, als über das, was vor der Haustür passiert. Noch bei der Preisverleihung 2019 freut sich ein ausgezeichneter Fernsehmacher vor allem deshalb über den Preis, weil er seine Arbeit im Regionalprogramm endlich einmal anerkannt fühlt.
Radio Bremen ruft den Bremer Fernsehpreis erstaunlicherweise ins Leben, obwohl der Sender noch gar kein eigenes Regionalprogramm hat. Das gibt es erst sechs Jahre später. Walter F. Schmieder, der damalige Leiter Zeitgeschehen, hat nach der ersten Preisverleihung 1974 eine wichtige Idee zur Weiterentwicklung. Er schreibt an den Fernseh-Programmdirektor Dieter Ertel, ihm sei aufgefallen, dass "landespolitische Beiträge, die ja einen Hauptteil der Regionalprogramme ausmachen, in diesem Wettbewerb weitgehend gefehlt haben". Schmieder will die Veranstaltung deshalb auch inhaltlich weiterentwickeln: "Die Schlussveranstaltung wird mit einem zweitägigen Seminar über das Regional-Programm angereichert." In Werkstattgesprächen diskutieren fortan Journalisten und Journalistinnen über Medienrelevantes, Trends und Entwicklungen des Regionalfernsehens.
Viele namhafte Journalisten unter den Preisträgern
"Gitterblicke", "Seltsame Polizeimethoden", "Bananenwahlkreis", "Volkszähler im Bordell-Viertel", "Verstecke Kamera – Schwarzer Mann, weißer Mann" – schon die Titel lassen erahnen: Das Regionalfernsehen bringt viel Kurioses, Aufwühlendes, Ärgerliches oder einfach Schönes in die Wohnzimmer. Und das tagtäglich, mal ganz ungeschminkt, mal bewusst komplett überzeichnet.
Viele namhafte Journalistinnen und Journalisten werden über die Jahre mit dem Bremer Fernsehpreis ausgezeichnet. Einige sind erst danach prominent geworden. Zusammen mit Christine Westermann nimmt beispielsweise der Reporter Frank Plasberg vom WDR seine erste Auszeichnung 1989 für ein Studiogespräch zum Gladbecker Geiseldrama entgegen. Jahre später ist Plasberg nicht nur erfolgreicher Talkmaster sondern auch Vorsitzender der Jury des Bremer Fernsehpreises.
Comeback nach zehnjährigem "Dornröschenschlaf"
Ist das Vorabendangebot des Ersten Programms bis 1992 noch in Einzelprogramme der Landesrundfunkanstalten aufgeteilt, gibt es fortan ein "harmonisiertes" Programm "vor 8" mit bundesweit einheitlichem Schema. Mit der Verdrängung des Regionalfernsehens in die Dritten Programme fällt wohl auch der Preis ab 1998 in einen zehnjährigen "Dornröschenschlaf".
2008 feiert die Veranstaltung dann ein gelungenes Comeback. Mehr als 100 Vorschläge für Auszeichnungen werden Jahr um Jahr von den Sendern eingereicht. Auch Privatsender und Anstalten aus dem Ausland reichen Beiträge ein. Diskussionen über Trends und Experimente im Regionalprogramm gehören fest zum Werkstattgespräch. Redaktionen berichten einander von Erfahrungen mit neuer Technik und tauschen Erfahrungen über unterschiedliche Arbeitsweisen und aus. Journalist*innen diskutieren über Möglichkeiten und Grenzen ihrer Arbeit in Zeiten von Crossmedia und Social Media. Der Bremer Fernsehpreis entwickelt sich so wieder zum beliebten Branchentreff.