1974: Am laufenden Band mit Rudi Carrell
Am 27. April 1974 bringt der niederländische Showmaster Rudi Carrell eine neue Unterhaltungsshow ins Erste Programm. "Am laufenden Band" wird eine der erfolgreichsten und pfiffigsten Unterhaltungssendungen des Deutschen Fernsehens. Die Einschaltquoten erreichen bis zu 60 Prozent. Die Idee und viele Spielvorlagen hat Carrell vom holländischen TV-Programm "Een van de acht" übernommen.
Die Show steht und fällt mit der Auswahl der Kandidaten und Kandidatinnen. Gut 700 Menschen bewerben sich pro Sendung, auf sie wartet ein mehrstufiges Auswahlverfahren. Denn Spielwitz und Improvisationstalent sind bei der Sendung viel wichtiger als gutes Allgemeinwissen. Acht Kandidatinnen und Kandidaten treten an, je zwei müssen einer Familie und verschiedenen Generationen angehören.
"Am laufenden Band" lebt davon, dass die Kandidat*innen in lockeren Improvisationsspielen Schlagfertigkeit und Spontanität beweisen. In der Programmzeitschrift "Funkuhr" gibt Rudi Carrell einen Einblick, wie wichtig die Mitspieler*innen für den Erfolg der Sendung sind.
Die Mitspieler müssen ungeheuer gut sein, weil sie ja eigentlich die Sendung gestalten. Wenn sie schlecht sind, können wir machen, was wir wollen – das kann ich dann nicht mehr überspielen.
Rudi Carrell
Eine Nonne aus Süddeutschland wird beim Publikum die mit Abstand beliebteste Kandidatin. Mit den Worten "Ich mache alles, außer Kopfstand" hatte sich Schwester Renata Hampel aus Passau beworben.
Gewinne auf dem Fließband und das berühmte Fragezeichen
Die Kandidat*innenpaare treten in drei Runden gegeneinander an. Am Ende gibt es einen Sieger oder eine Siegerin. Für sie oder ihn gibt’s schließlich Gewinne am laufenden Band. Auf einem Fließband ziehen 40 Gegenstände vorbei. Danach bleiben 20 Sekunden Zeit, möglichst viele Dinge aus dem Gedächtnis aufzuzählen. Diese Gegenstände sind der Gewinn. Allerdings haben manche Gegenstände auch eine doppelte Bedeutung: Eine Tiefkühltruhe kann eine Tiefkühltruhe als Gewinn bedeuten, es kann aber auch sein, dass der Gewinn nur eine Kiste Tiefkühlkost ist, oder für eine Portion Eis steht. Vielleicht steht die Tiefkühltruhe auch als Symbol für eine Nordlandreise. Ein Gegenstand steht immer auf dem laufenden Band: ein Fragezeichen. Der Preis ist in jedem Fall eine Überraschung.
Mit Fleiß, Pingeligkeit und gekauften Sketchen zum Erfolg
Mit "Am laufenden Band" wird Rudi Carrell zu einem der erfolgreichsten Showmaster in Deutschland. Doch was ist es, das ihn so beliebt macht? Sein Aussehen ist es sicher nicht. Als Pferdegesicht bezeichnet ihn eine Zeitschrift sogar mal. Aber Carrell hat Talent als Sprücheklopfer. Seine Schnacks, wie man in Bremen sagt, prägen neben den Kandidat*innen die Sendungen. Carrell selbst allerdings hält sich gar nicht für witzig, sondern für einen Handwerker in Sachen Humor. Gags zu machen, sagt Carrell einmal dem Spiegel, sei eine Scheißarbeit, die nur unter Druck zu machen sei. Dabei stammen gar nicht alle Gags von ihm selbst. Manche kauft er auch ein, beispielsweise von einem Gagschreiber in New York, der ihm auf einen Schlag gleich mehrere tausend Gags liefert.
Ein weiterer Grund für den großen Erfolg von "Am laufenden Band" sind Carrells Fleiß, seine Liebe zum Detail und seine Pingeligkeit. Oft zum Leid des Teams im Studio. Bei den Proben wird Carrell schnell zum Feldherrn, der auch mal ordentlich rumpflaumt und jemanden aus der Studio-Crew anschreit.
Die 51. und letzte Sendung von "Am laufenden Band" geht am Silvesterabend 1979 über den Bildschirm.