1945: Radio Bremen entsteht
Nach dem Krieg wird der Neuaufbau einer Rundfunkstation in Bremen von den Amerikanern organisiert. Kurz vor Weihnachten 1945 ist es dann soweit: der neue Rundfunksender "Radio Bremen" ist zum ersten Mal zu hören.
Als am 27. April 1945 in Bremen der Krieg zu Ende ist, haben britische Truppen die Stadt besetzt. Da aber die Amerikaner Anspruch auf einen Nachschubhafen für ihre Truppen und Versorgungsgüter erheben, bleiben Bremen und Bremerhaven unter amerikanischer Verwaltung. Jede Besatzungsmacht hält zunächst die aus ihrem Heimatland gewohnte Rundfunk-Organisationsform für ideal: Die Briten sind für ein zentrales Modell nach dem Vorbild der BBC, die Amerikaner bevorzugen lokal operierende Radiostationen. 1945 wird zunächst Radio Hamburg gegründet, das am 22. September 1945 als Nordwestdeutscher Rundfunk (NWDR) gemeinsame Rundfunkanstalt für die gesamte britische Besatzungszone wird. In Bremen arbeitet man derweil an der Entstehung eines eigenen Senders unter amerikanischer Verwaltung.
Föderales Rundfunkkonzept löst Propaganda- und Medienapparat der Nazis ab
Konflikte zwischen dem mächtigen NWDR, dessen Ausstrahlungsgebiet von Berlin über Hamburg bis Köln reicht, und dem kleinen Radio Bremen sind vorhersehbar, zumal sich auch die programmatischen Ausrichtungen der beiden Besatzungsmächte unterscheiden. Allierte Kontrolle funktioniert aufgrund der Sprachprobleme nur sporadisch, Nachkriegs-Medienkonzepte existieren kaum. Dafür herrscht ein liberaler, toleranter Geist den Mitarbeitern gegenüber, der durch den Zwang zur Improvisation gefördert wird. Die Medien der Stunde Null lösen mit einem föderalen Rundfunkkonzept, das 1950 in die Gründung der ARD münden soll, den Propaganda- und Medienapparat der Nazis endgültig ab.
Eine Rundfunkstation entsteht
In Bremen wird der Offizier Edward E. Harriman mit dem Aufbau einer Rundfunkstation beauftragt. Harriman lässt zu diesem Zweck ein von dem Kaufmann Maaß und seiner Schwester bewohntes Gebäude an der Schwachhauser Heerstraße 363 beschlagnahmen.
Personalsuche in der Nachkriegszeit
Am 17. und 20. Oktober 1945 werden per Zeitungsannonce im Bremer Weser-Kurier Sprecher, Redakteure und Musiker für ein deutsches Rundfunkprogramm gesucht, das unter amerikanischer Kontrolle in Bremen ausgestrahlt werden soll. Bei Edward Harriman melden sich auch Hans Günther Oesterreich und Friedrich Meyer. Beide bringen Rundfunkerfahrung mit, denn sie haben schon beim Soldatensender Belgrad zusammen gearbeitet. Oesterreich wird bald Programmchef, Friedrich Meyer wird Leiter des kleinen, aber agilen Tanzorchesters, bei dem später auch ein gewisser Hans Last den Bass zupfen wird.
Insgesamt ist es sowohl für die alliierten Kontrolloffiziere als auch für die deutschen Programmchefs und ersten Intendanten schwierig, geeignetes Personal zu finden. Nach Deutschland zurückgekehrte Remigranten werden oft wegen ihrer Flucht und ihrer politischen Aktivitäten angefeindet, in Deutschland verbliebene Mitarbeiter müssen sich den Vorwurf des Mitläufertums gefallen lassen. Dennoch gelingt es, Sprecher, Musiker und Reporter zu rekrutieren und Sendungen ins Leben zu rufen, die später einen legendären Ruf erlangen, in Bremen zum Beispiel die "Rundschau im Unterwesergebiet" und das "Hafenkonzert".
Erste Sendung am 23. Dezember 1945
Am vierten Adventssonntag 1945 ist Radio Bremen zum ersten Mal offiziell im Radio zu hören. Nachmittags um 15 Uhr wird eine Weihnachtsfeier auf dem Marktplatz übertragen. Vom Rathausbalkon gibt es Ansprachen vom damaligen Bürgermeister Kaisen und dem Generalmajor Vaughan, anschließend Musik vom Domchor und einem amerikanischen Musikkorps.
Hans Günther Oesterreich – Pionier des Bremer Nachkriegsrundfunks
Als Mitarbeiter der ersten Stunde baut Hans Günther Oesterreich den Sender Radio Bremen mit auf und gibt ihm seinen Namen. Gemeinsam mit dem Amerikaner Edward E. Harriman entwirft Hans Günther Oesterreich erste Sendungen, sucht Mitarbeiter und baut das Funkhaus auf. Dazu gehört auch die Gründung eines Orchesters. Musik muss live eingespielt werden, denn Schallplatten sind in der Nachkriegszeit Mangelware.
Oesterreich wird Radio Bremens erster Programmdirektor. Wenige Jahre später gibt er diese Funktion zugunsten der praktischen Arbeit allerdings wieder auf. Der Radio-Mann entwickelt sich zu einem Allroundtalent des Rundfunks: Er moderiert Hörfunksendungen, führt Regie, komponiert und tritt auch als Sänger vor das Mikrofon. Seine populärste Idee wird die erste Hörfunk-Familienserie, "Die Familie Meierdierks". Auch im Fernsehen präsentiert sich Hans Günther Oesterreich mit seinen kreativen Ideen. 1976 inszeniert er das satirische Deutschlandportrait "Expedition nach Germanistan" aus einem ganz ungewohnten Blickwinkel. Seine letzten Beiträge für Radio Bremen entstehen Mitte der 80er Jahre. Insgesamt arbeitet er gut 40 Jahre für Radio Bremen.