1993: Nicht von schlechten Eltern
"Familienstress ist immer wieder schön anzuschauen" – so fasst es ein Leserinnenbrief in der Frankfurter Rundschau vom 5. April 1995 wunderbar ehrlich zusammen. Und genau deshalb ist die Radio-Bremen-Fernsehserie "Nicht von schlechten Eltern" so erfolgreich, immerhin um die 5 Millionen Menschen schalten Woche für Woche das Vorabendprogramm des Ersten ein.
Das Publikum ist begeistert und die Programmmacher*innen positiv überrascht: das Interesse übersteigt die Erwartungen bei weitem. Im Laufe der Zeit wird die Serie nicht nur vom Fernsehpublikum für ihre Qualität honoriert, sondern auch mit Preisen ausgezeichnet: 1994 gibt es einen Bambi (beste TV-Serie mit Humor national) und einen Telestar (beste Schauspielerin in einer Serie – Jany Tempel).
In der Serie geht es um die liebenswerte Familie Schefer (mit e!). Die Schefers, das sind: Vater Wolfgang, Mutter Sybille, Oma Lisbeth, die drei Söhne Felix, Moritz und Alex, Tochter Jenny und Familienhund Anton. Diese Konstellation bietet – allein schon aufgrund der Personen- und Charaktervielfalt – große Identifikationsmöglichkeiten und Anknüpfungspunkte für viele Zuschauerinnen und Zuschauer. Dazu kommt: wo es viele Charaktere gibt, da ist auch viel Konfliktpotential vorhanden, da sind große Irritationen möglich, natürlich auch kleine Dramen. Aber eben auch viel Raum für Herzliches, kleine Gesten, große Glücksmomente. Kurzum: "Nicht von schlechten Eltern" ist eine Serie zum Wohlfühlen – aber nicht zu sehr, eine Serie zum Abschalten und gerne gucken – eine gut gemachte Vorabendserie eben.
Dazu trägt auch in erheblichem Maße das Schauspielensemble teil – viele anerkannte und talentierte Akteur*innen wurden zusammengecastet: Der renommierte Ulrich Pleitgen spielt Vater Wolfgang und ist u.a. bekannt aus dem preisgekrönten RAF-Spielfilm "Stammheim". Die besonders vom Boulevard beobachtete Tina Ruland – sie spielt Tochter Jenny – ist bekannt als Uschi aus "Manta, Manta". Mutter Sybille wird verkörpert von Sabine Postel, die zwar schon etabliert ist, ihren richtigen Durchbruch aber erst mit "Nicht von schlechten Eltern" feiert, um später als Bremer Tatort-Kommissarin Inga Lürsen in der deutschen Fernsehgeschichte endgültig verewigt zu werden. Und dann ist da noch der vielleicht heimliche Star – Oma Lisbeth, die keine Gelegenheit auslässt, für zusätzlichen Trubel zu sorgen und die Erziehungsversuche der Eltern zu pulverisieren. Sie wird hinreißend gespielt von Renate Delfs.
Die Idee zur Serie hatte der Autor und Regisseur Rainer Boldt – der zuvor erfolgreiche Serien wie Rätsel der Sandbank mit Radio Bremen realisierte. Rainer Boldt und dem Redakteur Bernhard Gleim war ein neues und positives Familien- und Erziehungsbild wichtig – mit viel Humor und Zuversicht rückten sie die Erzählperspektive der Kinder in den Mittelpunkt dieser Familienserie.
Familie Schefer zieht zu Beginn der Serie von Kiel nach Bremen, weil Vater Wolfgang Schefer – er ist beruflich Marinekapitän) den dortigen Marinestützpunkt übernehmen soll. Damit verlässt die Familie die Gemütlichkeit der Heimat und muss sich in einer neuen Umgebung zurechtfinden. Gerade für die vier Kinder der Schefers ist das eine besondere Herausforderung – neue Stadt, neuer Freundeskreis, neue Schule. Und in ebenjener, dem Gustav-Heinemann-Gymnasium – fängt dann auch noch die eigene Mutter als Musiklehrerin an zu arbeiten.
Und so geht das Leben in der neuen Stadt schnell einen turbulenten Weg. Dass Sohn Felix (Patrick Bach) sein Abi macht und danach seinen Zivildienst leistet, ist da eigentlich eher Randnotiz. Viel spannender ist, dass Tochter Jenny (Tina Ruland) ein Verhältnis mit einem ihrer Lehrer hat und das Ganze auch noch Früchte trägt... Gerade für ihren Bruder Moritz (Steven Bennett) ist dieser Umstand ein besonderer Aufreger – betreibt er doch zwei Kondomautomaten an der Schule und ausgerechnet die eigene Schwester wird schwanger... Ganz schön was los bei diesen Schefers!
Diese Vorlagen müssen sich in der zweiten Staffel ohnehin erst einmal entwirren, gleichzeitig kommen viele neue spannende Situationen auf die Familie zu. Viel Stoff für die Drehbuchautor*innen also.
Doch nach Staffel 2 ist vorerst einmal Pause, Fans befürchten schon das Schlimmste: bei Radio Bremen trudelt eine Kondolenzkarte zur Serie ein, mit der von Herzen kommenden Bitte, die Serie wiederauferstehen zu lassen. Weitere Briefe äußern dieselbe Bitte, teilweise wird sogar versucht, die Programmmacher*innen zu "bestechen", mit Kaugummi etwa. Nach zwei Jahren können die besorgten Fans aufatmen, "Nicht von schlechten Eltern" geht weiter.
Die Geschichte der Schefers macht zur dritten Staffel einen Zeitsprung um fünf Jahre, in denen sich einiges verändert hat. Die einen werden mit der Schule oder der Ausbildung fertig, die anderen fangen neue Jobs an, ein Umzug sorgt für geteilte Meinungen und dann ist da ja noch das ganze Zwischenmenschliche, das sich entwickelt, verändert oder neu sortiert.
"We belong together" – so wie es der Titelsong der Band "Wooden Heart" verspricht, so nehmen es die Protagonist*innen als übergeordnete Maxime mit und hangeln sich durch 3 kurzweilige Staffeln – vielleicht nicht immer nah beieinander, aber immer irgendwie im Geiste verbunden, auch wenn es manchmal nicht so scheint. Und "We belong together" – so ist es auch bei der großen Fangemeinde, die der Serie noch lange nach der letzten Szene die Treue halten und die Erinnerung an "Nicht von schlechten Eltern" hoch- und in Ehren halten wird.