1924 – 1945: Die Norag
Am 30. November 1924 wird in Bremen feierlich der "Zwischensender" der "Nordischen Rundfunk AG" eröffnet: Die Geburtsstunde des Rundfunks in Bremen. Damals finanziert sich der Rundfunk überwiegend privat durch Sponsorengelder und hören kann ihn nur, wer ein Radio-Diplom hat.
Bereits 1922 hat die oberste deutsche Fernmeldeverwaltung das Deutsche Reich in neun etwa gleichgroße Sendebezirke untergeteilt. Die geplante Errichtung von regionalen Rundfunkanstalten darf jedoch kein Geld kosten. Deshalb werden Rundfunkgesellschaften gegründet, die sich um private Geldgeber bemühen sollen. Diese gründen 1925 die zentrale Reichs-Rundfunk-Gesellschaft als gemeinschaftlichen Interessensvertreter und als Rundfunk-Kontrollorgan.
In Hamburg nimmt im Mai 1924 die "Nordische Runkfunk AG", kurz Norag, ihren Betrieb auf. Empfangsprobleme machen "Nebensender" notwendig. Die Deutsche Reichspost, damals für den Sendebetrieb allein zuständig, errichtete daher noch im selben Jahr in Bremen einen Sender, der das Programm von Hamburg auf dem Leitungswege übernimmt.
Zwischensender:
Einen Sender, der sich nicht am Sitz der Programmgesellschaft befindet, bezeichnet man als "Neben-" oder "Zwischensender", im Gegensatz zum "Hauptsender" der sich am Ort der Sendegesellschaft befindet.
Frühe eigenständige Rundfunkbemühungen aus Bremen
Darüber hinaus bekommt Bremen eine eigene Sendestation. Damit ist Bremen auch technisch in der Lage, eigenes Programm einzuspeisen und auszustrahlen. Zunächst übernimmt Bremen das Programm der Norag Hamburg. Später speist der Bremer Sender eine eigene Welle und steuert täglich drei bis vier Stunden zum gemeinsamen Programm der Norag bei.
Provisorische Unterbringung
Zum Sendebeginn der Nebenstelle Bremen sind die Rundfunkanlagen im Dachgeschoss des Telegrafenamtes an der Domsheide untergebracht. Im Zimmer nebenan ist die sogenannte "Besprechungsstelle". Der Mittelwellensender hat eine Leistung von 250 Watt und die Sende-Antenne ist vom Dach der Post bis zum Dom gespannt. 1933 wird auf dem Postgelände in Utbremen ein 90 Meter hohen Sendemast aus Holz errichtet, der 1939 durch einen Sendemast aus Stahl ersetzt wird.
In den ersten drei Jahren seines Bestehens zieht der Sender Bremen mehrmals um. Vom Telegrafenamt geht es ins Stadttheater, dann wird das ehemalige Gewerbemuseum in der Kaiserstraße (heute Bürgermeister-Smidt-Straße) für knapp zwei Jahre der Hauptsitz. Schließlich zieht der Sender in die Stadtwaage, von wo aus am 8. Juni 1927 die erste Sendung läuft. Ab 1933, nach Machtübernahme der Nationalsozialisten, werden die Sende-Anlagen nach und nach zurückgebaut, da immer weniger Programm aus Bremen kommt. 1944 fällt das 500 Jahre alte Gebäude der Stadtwaage einem Bombenangriff der Alliierten zum Opfer.
Wachsende Hörerzahlen dank Werbekampagnen
In den Anfangszeiten des Rundfunks gibt es erst sehr wenige Hörer. Nur wenige Bürger können sich ein Empfangsgerät leisten. Viele Menschen haben Vorbehalte gegen das neue Medium. Das Bildungsbürgertum befürchtet eine Konkurrenz zu Theater, Lesezirkeln und sonstigen kulturellen Veranstaltungen. Durch Werbung wird versucht, diese Vorbehalte zu zerstreuen. Dabei gibt es Unterstützung vom Radio-Club Bremen und dem Arbeiter-Radio-Klub. Die Norag initiiert Ausstellungen und Auftritte ihrer "Radio-Stars", um neue Hörer zu gewinnen. Dank dieser Bemühungen wächst die Hörerschaft Mitte der zwanziger Jahre von 10.300 (1924) auf 60.833 Hörer (1932).
Radiohören für zwei Reichsmark im Monat
Jeder neu gewonnene Hörer muss zuerst eine technische Prüfung ablegen, um offiziell sein Empfangsgerät bedienen zu dürfen. Die Geräte entstehen meist in mühevoller Bastelarbeit. Nach bestandenem "Radio-Diplom" entrichtet das neue Mitglied der Radiogemeinde eine Gebühr von zwei Reichsmark pro Monat. Der Sender Bremen finanziert sich außerdem durch Werbung. Schon die allererste Sendung im deutschen Radio endet mit dem Hinweis: "Zur Begleitung wurde ein Steinway-Flügel benutzt."
Programm-Inhalte: Politische Einmischung unerwünscht
Anfangs sendet der Rundfunk vornehmlich Konzerte, live oder von Schallplatte, veranstaltet Lesungen und Vorträge oder auch bunte Abende. Vor allem aber meidet er die politische Auseinandersetzung. Der Staat hat ihm strikte Neutralität verordnet. Also werden Tagesaktualität und politische Meinungen weitgehend aus dem Programm gestrichen.
In den Gesellschaftsverträgen der Sendegesellschaften heißt es: "Ihr Zweck ist die Veranstaltung und drahtlose Verbreitung von Vorträgen, Nachrichten und Darbietungen künstlerischen, lehrenden, unterhaltenden, sowie sonst weitere Kreise der Bevölkerung interessierenden Inhalts."
Schwerpunkt: Kultur und Unterhaltung
In Bremen sorgt man mit Live-Übertragungen von Hafenkonzerten oder Rathauskonzerten für Furore. Beim Hafenkonzert spielt das Rundfunk-Orchester vom Deck Bremer Schiffe. Lebendige Berichte von der Küste und erste Sportreportagen aus dem Weserstadion festigen die Bremer Welle als Heimatsender. Das größte Programmunternehmen ist die mehrteilige Serie "Die Böttcherstraße in Bremen - eine Straße der Wandlungen im Mikrofon" im Jahr 1932. In einem Rundgang stellt der Reporter Julius Jacobi – teils in Hörspiel-Szenen – den Roselius-Bau vor.
Kammerorchester "Bremer Stadtmusikanten"
Wichtigster Programminhalt ist Musik. Vieles geht "live" ins Programm. Also beschäftigt die Norag in Bremen ein Quartett, aus dem später ein kleines Kammerorchester mit dem Namen "Die Bremer Stadtmusikanten" wird. Die machen den Sender Bremen durch ihre Hafen- und Rathauskonzerte überregional bekannt, denn auch andere Stationen übernehmen diese beliebten Sendungen gerne. Das erste Hafenkonzert gibt es übrigens schon 1931. Die wichtigste musikalische Stütze der Norag Bremen ist damals Reinhold Krug. Seit 1926 ist er als "Mann am Klavier" dabei. Bald wird er Kapellmeister des Bremer Senders und geistiger Vater des Hafenkonzerts.
Privatradio unter Aufsicht des Staates
Schon Ende 1923/Anfang 1924 hatten sich Sendegesellschaften gegründet, die unter der Regie des Postministeriums mit privatem Kapital und einer Aktienmehrheit des Staates die Entwicklung des Rundfunks in Deutschland vorantreiben sollten.
In seinen Anfängen ist der Rundfunk quasi Privatradio. Die Norag bekommt ihr Geld von drei Unternehmern: Eine Getreidefirma, ein Bankier und ein Ölkaufmann bezahlen die Programmmacher und die Produktionsstätten. Die technischen Anlagen jedoch sind Staatseigentum und werden von den Post-Angestellten und Beamten des Deutschen Reiches bedient. Schon Ende 1924 allerdings behält sich die Regierung ein inhaltliches Mitspracherecht auf Nachrichten und politische Sendungen vor. Bundesweit gründen sich neun Rundfunkgesellschaften, die mit einer Ausnahme bis 1932 als Aktiengesellschaften bestehen blieben.
Gleichwelle – das Aus für die Eigenständigkeit
Die Beteiligung Bremens am Programm der Norag geht ab 1931 immer mehr zurück. 1932 wird der Rundfunk in Deutschland ganz in Staatsbesitz überführt und das Programm vereinheitlicht. Damit verschwindet die Vielstimmigkeit der Radiostationen und dem Einheitsprogramm der Nationalsozialisten ist der Weg geebnet.