2001: Aus Bremen Zwei wird Nordwestradio
Aus der Not heraus entsteht etwas Einzigartiges in der deutschen Rundfunklandschaft: Die erste öffentlich-rechtliche Kooperationswelle in Deutschland.
Knapp ein Drittel Etat weniger: Das ist das Ergebnis des neuen ARD-Finanzausgleichs, den die Ministerpräsidenten der Ländern 1999 ausgerechnet in Bremen beschließen und der Radio Bremen zu einem krassen Sparkurs zwingt. Ein Ergebnis davon ist 2001 das neue Radioprogramm "Nordwestradio", das die Kulturwelle Bremen Zwei beerbt. Aus der Not heraus entsteht etwas Einzigartiges in der deutschen Rundfunklandschaft: Die kleinste Rundfunkanstalt der ARD tut sich mit ihrem großen Bruder, dem NDR, zusammen und konzipiert die erste öffentlich-rechtliche Kooperationswelle in Deutschland. Die Kosten für das Programm teilen sich beide Rundfunkanstalten.
Neues Konzept – Größeres Sendegebiet
Völlig neu ist das Konzept. Das Nordwestradio ist eine formatierte Kultur- und Infowelle. Es soll strukturierter daherkommen als andere ARD-Kultursender. Das Musikrepertoire entspricht weder dem eines gängigen Hitradios noch dem eines elitären Nischenformats. Die Musikfarbe soll über Klassik hinausgehen und umfasst neben Jazz auch Folk, Musicalsongs, Chansons und anspruchsvollen Rock und Pop. Die größte Veränderung neben dem Namen ist die Anpassung des Sendegebiets, das sich nun von Bremen aus über den gesamten Nordwesten des Landes erstreckt.
Sendungskennung mit bekannter Tagesschau-Stimme
Der NDR unterstützt das gemeinsame Projekt mit Beiträgen aus seinen Regionalstudios und installiert gleich drei neue Korrespondent*innenstellen in Wilhelmshaven, Vechta und Zeven. Das Programm wird hingegen bei Radio Bremen gemacht, auch rundfunkrechtlich trägt der Intendant von Radio Bremen die Verantwortung. Täglich gibt es zunächst vier Kulturmagazine und drei aktuelle Politiksendungen, die sich insgesamt in drei Hauptkategorien gliedern: die Musikzeit, die Kulturzeit und die sogenannte Nordwestzeit. Werbung? Gibt es erst einmal nicht. Selten in der deutschen Radiolandschaft ist auch, dass die sogenannte Station-Voice eine Frau ist. Und sogar eine sehr bekannte – Dagmar Berghoff, die ehemalige Sprecherin der Tagesschau spricht als tragende Stimme die Sendungskennungen.
Ehrgeizige Ziele
Die Ziele für das neue gehobene Programm sind ehrgeizig: Man will bisherige Nichthörer*innen erreichen, deren Interessen von den herkömmlichen Programmen wenig oder nicht konsequent genug berücksichtigt werden.
Bei Fans des beerbten eher Bremen zentrierten Programms von Bremen Zwei kommt die Weiterentwicklung zunächst nicht gut an. Sie vermissen lange Studiogespräche, den Tiefgang der Beiträge und die alten Klänge. Tatsächlich sind die Redebeiträge im Nordwestradio selten länger als drei bis fünf Minuten und berichtet wird vor allem auch aus dem und über das Umland. Doch die Kritik hält nicht lange an, schon 2002 zeigt sich, dass das Nordwestradio mit seinen neuen Alleinstellungsmerkmalen in der Landschaft der Kultursender punktet, als es für seinen Musikstil den Preis der "Gesellschaft zur Förderung des traditionellen Jazz" bekommt. Passend dazu lautet der Slogan des Nordwestradios auch "Das hört sich doch ganz anders an".
Neue Formate – Neue Einschnitte
2004 startet das Format "Mare Radio", eine Kooperation mit dem gleichnamige Hochglanzmagazin "mare". Einmal im Monat können die Hörer*innen fortan auf akustische Tauchstation gehen.
2011 folgt der großer Einschnitt: Radio Bremen muss mal wieder sparen, diesmal erwischt es das Info- und Kulturprogramm mit am härtesten: Weniger Hörspiele und Konzertmitschnitte, dafür soll es mehr Gespräche aus dem Bereich Literatur und Wissen geben. Und weil der ständige Wandel eben ein Fakt ist, findet drei Jahre später erneut eine Reform statt.
Aus Nordwestradio wird wieder Bremen Zwei
2016 sind die Zeiten besser geworden, Radio Bremen verhandelt geschickt einen neuen ARD-Finanzausgleich und kann sich das Nordwestradio jetzt wieder alleine leisten. Der NDR steigt aus. Um das Kulturprogramm wieder näher an die Programmmarken von Radio Bremen zu rücken, wird im August 2017 auch der Name geändert. Jetzt heißt das anspruchsvolle Radioprogramm wieder Bremen Zwei. Auch das Programm selbst wird reformiert: Im Mittelpunkt steht die aktuelle Berichterstattung aus Bremen, Bremerhaven und der Region, aus Deutschland und der Welt. Hintergrundinformationen, Hörspiele, Features und Sondersendungen gibt es abends und am Wochenende. Musikalisch gibt es Neues und Unentdecktes aus der Welt der Singer/Songwriter, des eleganten und anspruchsvollen Pop, aus Soul und Jazz. Außerdem gibt es selten gehörte Songs von bekannten Künstlerinnen und Künstlern, ausgewählte Klassik, Chansons, Musikspezialitäten und Lounge-Musik zur Nacht.