1987: Pops Tönende Wunderwelt
Im September 1987 (über das genaue Datum wird noch gestritten) startet "Pops Tönende Wunderwelt" auf der frisch gegründeten Jugendwelle "Radio Bremen Vier".
Es musste schnell gehen, und so hatte selbst der Moderator und Musikfan Joachim Deicke nur eine vage Ahnung, wie die zwei Stunden lange Sendung am Sonntagabend klingen könnte. Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass sich um die "Wunderwelt" etwas entwickelt, das Jahrzehnte später "community" genannt wird.
Hauptakteur: Paul E. Pop
"Eine andere Sendung" soll die "Wunderwelt" werden; etwas Ausgefallenes, Auffälliges, Überraschendes. Viel Musik: aus allen Kontinenten, aus allen Zeiten, Bekanntes und Unbekanntes. Auch die Texte sollten aus dem Rahmen fallen: keine von diesen neunmalklugen Musiker-Geschichten oder amüsanten Agentur-Meldungen. Eher ein ... ja ... ein "Radio-Comic": Der Hauptakteur – "Paul E. Pop" – würde nie auftauchen. Globetrotter und virtueller "Freund" des Moderators aus ihrem gemeinsamen Berliner Vorleben – sollte seine Reiseberichte nach Bremen schicken. Dabei würde er in zunehmend haarsträubende Abenteuer stolpern: Mal in der Südsee, mal in der Vergangenheit und mal in einer völlig verdrehten Parallelwelt. Und die Musik dazu: Natürlich – mal aus der Südsee; mal aus der Vergangenheit; mal aus einem obskuren Kellerstudio in einer völlig verdrehten Parallelwelt.
So wird "Pops Tönende Wunderwelt" zum "Sandmännchen für Erwachsene (und solche, die's noch werden wollen). Immer weiter, länger und geheimnisvoller geraten die Expeditionen durch ferne Länder und fremde Klänge. Eine Radio-Sendung, die erstaunlicherweise hartnäckiges Suchtpotential entwickelt. Als das Sonntagabend-Spektakel nach wenigen Jahren reduziert werden soll, regnet es augenblicklich Protestbriefe, -karten und -faxe der geneigten Hörer:innenschaft; es werden Unterschriften gesammelt und höfliche Anfragen gestellt. Am Ende bleibt alles beim Alten. Oder vielmehr: Es geht erst richtig los.
In den Neunzigern wird der Mitteldeutsche Rundfunk "Zweitabnehmer" der Bremer Haus-Produktion. Berlins "Radio Multikulti" und der WDR kommen dazu; mit RADIO 3fach in der Schweiz wird "Pops Tönender Wunderwelt" sogar international und gelegentlich tauchte Paul E. Pop nun auch in verschiedenen Netzwerken und Kommunalradios auf.
Globale Abenteuer und Weisheiten
Zu Pops globalen Abenteuern gesellen sich tiefschürfende Weisheiten einer Bäckereifachverkäuferin. Es gibt Auszüge aus den pseudophilosophischen Schriften des Stanislaus Lehmann; Gedichte, Diskussionen, Rätsel und immer neue Musik aus den entlegensten Gegenden der Welt: Rock von den Färöer-Inseln, Bigbands aus dem alten Kuba.
Das Echo darauf folgt auf dem Fuße: Aus aller Damen und Herren Länder versorgen Pop-Kamerad:innnen "ihre" Sendung mit Postkarten, Anregungen und Berichten – immer wieder will irgendjemand irgendwo auf der Welt Paul E. Pop gesehen haben. Andere lassen sich irgendwo – fernab der norddeutschen Heimat – mit Kassetten versorgen. Die meisten allerdings begnügen sich mit dem allwöchentlichen Radio-Comic und den regelmäßig stattfindenden "Pop-Partys", bei denen traditionsgemäß bunte Getränke und Wunderwelt-typische Musik serviert werden. Bisweilen werden bei solchen "karibischen Strand-Simulationen" auch Schatzkisten ausgegraben oder Limbo-Rekorde unterboten. Die Welt ist Pop!
Als die meisten noch mit fiependen Telefon-Modems im frühen Internet stochern, programmieren Fans bereits die ersten Wunderwelt-Homepages. Ende der Neunziger kommt die halb-offizielle "Popwelt.de" des Moderators dazu und wird später zum zuverlässigen Begleitwerk seiner Radiogeschichten – mit Karten, Texten und hintergründigen Informationen. Und schließlich gründen Hörerinnen und Hörer ihr eigenes Auriga-Netzwerk, wo immer noch fleißig diskutiert und gefachsimpelt wird – über das Radio-Spektakel aus den achtziger Jahren.
Im Jahr 2011 ist die Reise beendet. Es gibt nichts Neues mehr aus dem Pop-Universum. Nach rund 100 langen Radioabenteuern und mehr als tausend Sendungen sind alle Geschichten erzählt. Joachim Deicke, der "geschwätzige Moderator" findet, dass 24 Jahre genug sind. Allmählich ist es wohl auch Zeit, seinem Freund Paul E. Pop endlich mal eine Pause zu gönnen. Der möchte schließlich einfach nur auf seiner Karibikinsel in der Hängematte schaukeln und anderen die Rettung der Welt überlassen.
Treue Fangemeinde
Doch auch mehr als zehn Jahre nach der letzten Sendung treffen sich noch gelegentlich Hörerinnen und Hörer zu ihrem "Pop-In". Zum Austausch wohliger Erinnerungen und in der Hoffnung, dass die Abenteuer des Paul E. Pop vielleicht doch noch mal im hochglanzlaminierten Pracht-Sammelschuber erscheinen. Einer der Sprüche der "Wunderwelt' lautete zwar: "Es gibt Dinge, die gibt's nur im Radio!" Aber vielleicht passen sie doch noch irgendwann in so einen Schuber ...