Tod für Olympia – Der Fall Birgit Dressel

Warum musste die Sportlerin sterben? Und welche Folgen hatte diese Tragödie für den deutschen Sport? Antworten sucht die ARD-Doku-Serie von Autor Yannick Lowin.

Tod für Olympia · Der Fall Birgit Dressel
Bild: Radio Bremen Imago

April 1987: Eine 26-jährige Weltklasse-Sportlerin stirbt im Mainzer Uniklinikum an einem Multi-Organversagen. Die Tote ist Birgit Dressel aus Bremen, damals die große Hoffnung der bundesdeutschen Leichtathletik im Siebenkampf.

Wenige Monate später stellt sich heraus: Dressel hat über Jahre dutzende Medikamente, darunter auch Dopingpräparate, geschluckt. Dazu hat sie in den letzten Tagen ihres Lebens Unmengen an Schmerzmitteln selbst eingenommen und verabreicht bekommen. Sie gilt als erste Dopingtote der Bundesrepublik Deutschland. Doch so einfach ist es nicht. 

In der dreiteiligen ARD-Doku-Serie "Tod für Olympia – Der Fall Birgit Dressel" spricht Autor Yannick Lowin mit Dressels engstem Umfeld, rollt mit Experten den Fall neu auf und skizziert das Bild eines gnadenlosen Sportsystems, in dem der Tod einer jungen Frau folgenlos verhallt. In fiktionalen Szenen spielt Luise Großmann die Athletin (Buch und Regie Nils Loof).

Warum musste die Sportlerin sterben? Und welche Folgen hatte diese Tragödie für den deutschen Sport? Antworten sucht "Tod für Olympia – Der Fall Birgit Dressel" ab Freitag, 7. Juni 2024 morgens in der ARD Mediathek und am Freitagabend ab 23:00 Uhr im Anschluss an die Live-Übertragungen von der Leichtathletik-EM im Ersten.

"Tod für Olympia – Der Fall Birgit Dressel" ist eine Produktion von Dokness im Auftrag von Radio Bremen (Redaktion Jan-Dirk Bruns) und dem SWR (Redaktion Christoph Pietsch) für die ARD 2024.

Podcast zum Thema Doping in der BRD

Gleichzeitig erscheint der vierteilige Sportschau-Podcast vom Rundfunk Berlin-Brandenburg: "Geheimsache Doping - Doping in der BRD". Während das Staatsdoping in der DDR hierzulande zur sportlichen Allgemeinbildung gehört, wird das Doping "im Westen" bis heute häufig verdrängt. RadioEins-Moderatorin Kerstin Hermes und der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt widmen sich nun in ihrer preisgekrönten Podcastreihe diesem düsteren Teil der deutschen Sportgeschichte. Hajo Seppelt spricht von "flächendeckendem Doping zumindest in manchen Sportarten. Und die Regierung wusste zumindest phasenweise über alles sehr genau Bescheid." Aufputschmittel, Anabolika, Wachstumshormone – verabreicht von skrupellosen Halbgöttern in Weiß, teilweise sogar finanziert aus Bundesmitteln. Und Birgit Dressel war nicht das einzige Opfer des jahrzehntelangen Sportbetrugs in der BRD. 

Tod für Olympia – Der Fall Birgit Dressel: Die Athletin und der Wunderarzt (Folge 1)

Birgit Dressel wächst in einer sportlichen Familie der Bremer Mittelschicht auf. Schon früh zeigt sich ihr sportliches Talent. Mit ihren Erfolgen in der Leichtathletik wird sie schnell zur Besten in ganz Bremen. Nach dem Abitur wechselt sie in die Leichtathletik-Hochburg nach Mainz und von ihrer Spezialdisziplin, dem Hochsprung, zum Siebenkampf.

Das alles passiert vor dem Hintergrund der damaligen Leichtathletikwelt im geteilten Deutschland, die geprägt ist vom System-Wettbewerb Ost gegen West. Die Erfolge der DDR-Leichtathleten geben den westdeutschen Athleten immer wieder Ansporn, besser zu werden. Der sportliche Wettstreit zwischen der DDR und der BRD ist zum Kampf der Systeme geworden und hat längst die Politik erreicht. Sportlicher Erfolg ist wichtig für das internationale Ansehen. Das gilt für die DDR genauso wie für die BRD.

Es kommt auch im Leistungssport zum Wettrüsten. Im Mittelpunkt: die Sportmedizin und Dopingmittel. In der BRD ist das Ganze allerdings nicht staatlich orchestriert, sondern die Sportler organisieren es selbst, angeleitet von Trainern und Sportmedizinern. Allen voran: Dr. Armin Klümper aus Freiburg. Der ist hoch angesehen. Die Fußball-Stars der Bundesliga zählen zu Klümpers Patienten, wie z.B. Bayern-Profi Paul Breitner oder Nationalspieler Karlheinz Förster vom VfB Stuttgart. Klümper kennt sie alle und zeigt sich gern mit der Prominenz aus Sport und Politik.

Auch die Stars der deutschen Leichtathletik gehören zu seinen Premium-Patienten: Über Jahre ist er als Chefmediziner des Deutschen Leichtathletikverbandes bei allen Wettkämpfen dabei und fördert mit der laut ihm "modernsten Therapie" ihre Leistungsfähigkeit. Birgit Dressel gehört bereits seit 1981 zum illustren Patientenkreis. Innerhalb weniger Jahre schafft sie es von der deutschen in die internationale Spitze, verpasst bei der Leichtathletik EM 1986 im eigenen Land noch knapp die Medaille. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Seoul soll das anders werden. Mit allen Mitteln.

Tod für Olympia – Der Fall Birgit Dressel: Der Kampf ums Überleben (Folge 2)

Die deutsche Siebenkämpferin Birgit Dressel reißt bei der EM 1986 die Arme in die Höhe.
Birgit Dressel Bild: dpa | Jörg Schmitt

Birgit Dressel bereitet sich in einem Trainingslager in Portugal auf die WM 1987 in Rom vor. Sie experimentiert dort mit einem neuen Anabolika-Medikament. Das Hantieren mit leistungsfördernden Mitteln ist nichts Ungewöhnliches. Für Birgit Dressel wird es immer mehr zum Erfolgsfaktor. An ihrer Seite beim Angriff auf die Weltspitze: ihr Trainer und Verlobter Thomas Kohlbacher und ihr Arzt Dr. Armin Klümper.

Die Praxis des Sportmediziners in Freiburg beschäftigt fünf Ärzte. Sie alle sind eingeschworen auf die mitunter halbseiden anmutenden Behandlungsmethoden Klümpers. Sie stellen Blankorezepte aus, verabreichen Medikamente und Substanzen, deren Herkunft der "Wunderarzt" nicht offenlegt. Klümper wird dadurch reich und berühmt.

Von Januar 1986 bis April 1987 setzt Klümper mehr als 400 Spritzen bei Birgit Dressel. Nach Aussagen ihres Trainers und Lebensgefährten Thomas Kohlbacher nimmt sie außerdem Anabolika. Schon damals gelten die Präparate als Dopingmittel und sind eigentlich verboten. Allerdings gibt es kein Interesse daran, das Verbot ernsthaft durchzusetzen.

Zwei Tage im April 1987 sollen alles ändern. Beim Training bekommt Birgit nie gekannte Schmerzen an der Lendenwirbelsäule. Die Schmerzen werden trotz ärztlicher Behandlung unaushaltbar. Sie wird ins Uniklinikum Mainz eingeliefert und auf die Intensivstation verlegt, ihre Werte verschlechtern sich immer mehr. Und niemand kann sagen, warum. Ärzte aus diversen Fachrichtungen kämpfen um ihr Überleben.

Tod für Olympia – Der Fall Birgit Dressel: Das Dopingopfer? (Folge 3)

Birgit Dressel nimmt ihre letzten Atemzüge und verstirbt an Multi-Organversagen. Eine 26-jährige Spitzensportlerin kann von einem ganzen Ärzte-Team nicht gerettet werden. Die Leichtathletik-Szene in Westdeutschland steht unter Schock. Was mit einem Verdacht auf Hexenschuss begonnen hat, endet für Birgit Dressel zwei Tage später tödlich. Der Tragödie folgt ein großes Medienecho. 

Die ersten Ermittlungen der Mainzer Staatsanwaltschaft bringen keine Ergebnisse. Birgit Dressel stirbt vollgepumpt mit unzähligen Schmerz- und Dopingmitteln und niemand ist schuld.

Zur Leichtathletik WM 1987 in Rom reisen die deutschen Leichtathleten ohne ihre charismatische Wortführerin. Die WM im Sommer lässt die Erinnerung an Birgit Dressels Tod verblassen, doch als der westdeutsche Kader zurückreist, enthüllt der "Spiegel" die Recherchen zu Dressels Tod. Der Artikel lenkt den Verdacht auf Dr. Armin Klümper. Doch auch weitere Ermittlungen führen zu keinem Prozess.

Nun diskutiert die deutsche Gesellschaft, über Ethik im Leistungssport. Was sind die Folgen von "höher, schneller, weiter"? Wo wird mit verbotenen Substanzen nachgeholfen? Aber erst die Olympischen Spiele 1988 verändern den Diskurs rund um Doping grundlegend, als der Kanadier Ben Johnson erst in Weltrekord-Zeit zum Olympia-Sieg sprintet und dann positiv auf Steroide getestet wird.

Und der Tod von Birgit Dressel? Für die einen ist sie die "Doping-Tote", für die anderen ein tragischer Unglücksfall. Das System Leistungssport jedenfalls trauert nicht lange um die Verstorbene und hat kein Interesse daran, die Umstände ihres Todes wirklich aufzuarbeiten. Die ARD-Doku-Serie "Tod für Olympia – Der Fall Birgit Dressel" versucht das zu ändern.